Sensationssieg teuer erkauft

Die Regionalliga Basketballer des VfL Stade haben das Heimspiel gegen Spitzenreiter RSV Eintracht Stahnsdorf mit 74:71 gewonnen. Kurz vor dem Ende des zweiten Viertels musste der VfL jedoch einen schweren Schock verdauen.

Kristoffer von der Ohe (Ball) präsentierte sich in bestechender Form und übernahm in entscheidenden Momenten die Verantwortung.
Kristoffer von der Ohe (Ball) präsentierte sich in bestechender Form und übernahm in entscheidenden Momenten die Verantwortung.

Aufgeregt springt Reco McCarter an der Seitenlinie auf und ab. Mit seinen Armen fordert er die Zuschauer auf, Stimmung zu machen. Das muss er eigentlich nicht, denn in der Sporthalle des Vincent-Lübeck-Gymnasiums hält es sowieso keinen Fan auf den Sitzen. Die Geräuschkulisse ist ohrenbetäubend. Und dann schießt der Lärmpegel noch einmal in die Höhe, als Jamo Ruppert die Stader per Freiwurf wieder in Führung gegen Tabellenführer Stahnsdorf bringt. Kurz zuvor hatte Kristoffer von der Ohe für den VfL den 68:68-Ausgleich erzielt, obwohl die Gastgeber trotz langer Führung zeitweise schon mit zehn Punkten in Rückstand lagen. Nach weiteren Punkten von Ruppert ist es soweit – der VfL hat den Sensationssieg über die Zeit gerettet.

„Ein verrücktes Spiel“, sagt VfL-Trainer Joan Rallo Fernández. „Wir hatten uns hier eigentlich wenig ausgerechnet, aber dann war doch alles drin.“ Und weiter: „Dieses Spiel ist ein tolles Beispiel dafür, dass der Verein und die Stadt mehr erreichen können, als man glaubt.“

Dabei ist der Heimsieg umso bemerkenswerter bei einem Blick auf die personelle Lage des VfL, die sich kurz vor der Halbzeit verschärfte. Bei einem Dribbling verdrehte sich Spielmacher Francesc Iturria das Knie und musste vom ebenfalls verletzten Oscar Andres vom Spielfeld getragen werden. Von Mitspielern gestützt humpelt Iturria in die Kabine. Der Spanier wird noch in der Halbzeit ins Krankenhaus gebracht.

 

Dünne Personaldecke

Die Gastgeber haben schon vor der Verletzung von Iturria mit einer dünnen Personaldecke zu kämpfen. Nur sieben Mann kann Fernández aufbieten, unter anderem fehlen die Leistungsträger Janis Stielow (mit 298 Punkten einer der erfolgreichsten Werfer der Liga), Oscar Andres und McCarter im Kader der Stader. Dennoch beginnt der VfL stark.

Stade kommt zunächst vor allem per Einzelaktionen zum Erfolg. Von der Ohe tut sich in der Anfangsphase mit zehn Punkten hervor, ist mit insgesamt 28 Punkten am Spielende auch erfolgreichster Werfer der Partie. Aber besonders Francesc Iturria, der sich später verletzten sollte, drückt dem Spiel in der ersten Hälfte seinen Stempel auf. Der Spielmacher dirigiert unnachgiebig seine Nebenleute und ist auch als Werfer erfolgreich. Sein Drei-Punkte-Wurf bringt Stade nach sieben Minuten mit 21:15 in Führung. Stahnsdorf, die beste Abwehr der Regionalliga, spielt in der Defensive zu köperbetont. Die daraus resultierenden Freiwürfe verwandelt der VfL sicher.

Im zweiten Viertel reduzieren die Gäste die Foulzahl merklich und sind bei Drei-Punkte-Würfen sehr effektiv. In der Folge verkürzt der ProB-Absteiger den Rückstand. Fernández nimmt Mitte des Viertels eine Auszeit, die Wirkung zeigt. Der VfL präsentiert sich wieder dynamischer und stellt den alten Abstand her.

Francesc Iturria zog sich kurz vor der Halbzeitpause einen Kreuzbandriss zu und wird monatelang ausfallen.
Francesc Iturria zog sich kurz vor der Halbzeitpause einen Kreuzbandriss zu und wird monatelang ausfallen.

Doch dann schockt Iturrias Verletzung die Stader. Zu dem Zeitpunkt führt der VfL noch mit 44:37, zugleich der Pausenstand. Die Spieler erholen sich von dem Schock zunächst nicht. Binnen vier Minuten dreht Stahnsdorf das Spiel, liegt zwischenzeitlich zehn Punkte vorne, ehe Ruppert den VfL nach knapp sechs Minuten mit zwei Punkten erlöst. Nach gerade mal sechs Punkten und vielen vergebenen Freiwürfen der Stader geht es mit 50:57 ins dramatische letzte Viertel.

Von der Ohe vergibt drei Minuten vor Schluss per Freiwurf die erste Chance auf den Ausgleich, trifft dann aber per Drei-Punkte-Wurf zum 68:68. Ruppert bringt mit seinen Freiwürfen wenig später die Entscheidung. VfL-Trainer Fernández lobt die Einstellung seiner Mannschaft: „Mit nur sechs, sieben Spielern so aufzutreten, das macht mich besonders stolz. Das einzig Bittere ist die Verletzung.“ Iturria wird wie wohl auch McCarter, Stielow und Andres beim nächsten Spiel bei Rasta Vechta (Sonntag, 16 Uhr) nicht zur Verfügung stehen.


Die Statistik

Spielverlauf: 1. Viertel 26:16, 2. Viertel 44:37, 3. Viertel 50:57, 4. Viertel 74:71

VfL-Spieler (Punkte/Dreier): Lipke (11), Iturria (10/1), von der Ohe (28/2), Fröhlich (5), Rosenstein (5/1), Panares, Ruppert (15/1)

Nächstes Spiel: Rasta Vechta – VfL Stade (Sonntag, 13. Januar, 16 Uhr)


Die Stimmen zum Spiel

Auf der Bank der VfL Stade haben im Regionalligaspiel gegen Tabellenführer RSV Eintracht Stahnsdorf mehr Akteure in Zivil gesessen als in Spielkleidung. Selbst Co-Trainer Dario Wagner war auf Krücken unterwegs. Die Seuche hat das VfL-Team ergriffen – und dann fiel auch noch Spielmacher Francesc Iturria aus. Eine scheinbar aussichtslose Situation. Dennoch kämpften die verbleibenden Stader auf dem Feld bis zum Umfallen und holten sich mit letzter Energie den Heimsieg und Tabellenplatz fünf. Die Stimmen zum Spiel:

Jamo Ruppert, vor dem Spiel selbst in der Reihe der Verletzten: „Wir standen mit dem Rücken zur Wand und wollten das Beste geben und Spaß haben. Ich selbst hatte vor dem Match nur einmal trainiert, über die Feiertage gut gegessen und mich erholt, vielleicht hat das kräftig mitgeholfen. Heute hat sich keiner ausgeruht, jeder hat für jeden gekämpft und jeder war für jeden da.“

Richard Fröhlich: „Wir hatten das Hinspiel verloren und waren positiv in das Match gegangen. Jedes Spiel macht etwas mit einem, das heute hat trotz der enormen Anstrengung richtig Spaß gemacht.“

Leon Rosenstein: „Wir hatten einen super Tag erwischt, Kris (Kristoffer von der Ohe) hat einen tolle Leistung gezeigt und wir haben bewiesen, dass jeder jeden schlagen kann.“

Arth Louis Panares, der Jüngste im Team, bekam mehr Einsatzzeit als gewohnt und kämpfte sich immer besser ins Spiel: „Das ist meine Mentalität. Wir hatten heute nichts zu verlieren. Ich bin mit jeder Sekunde und jeder Minute sicherer geworden und wir haben gemerkt, da geht was.“

Tom Lipke, der Stader Kapitän: „Es war Kopfsache. Wir haben uns nach dem Ausfall von Itu (Francesc Iturria) und dem Rückstand wieder rangekämpft und gewonnen. Wir haben das Beste gegeben und können zufrieden sein.“

Sönke Bergmann vom Teammanagement: „Es war begeisternd. Die Stader Fans feuerten ihr Team an. Schon sechs Minuten vor dem Ende standen die Zuschauer. Die Emotionen gingen hoch und ich habe auch Tränen in einigen Augen gesehen.“


Mentaltraining für den Basketball-Nachwuchs

Der Nachwuchs des VfL Stade hat in der vergangenen Woche interessante Einblicke in das Leben als Basketballer gewonnen. An drei Terminen bot der Verein ein „Mentaltraining“ für Jungen und Mädchen ab der U14 an. Die Regionalligaspieler sprachen dabei über verschiedene Bereiche.

Den Anfang machte Reco McCarter, der über das Thema „Work or Study + Basketball“ sprach. Der US-Amerikaner erzählte seine Geschichte, und wie ihn der Basketball in der Spur hielt. Francesc Iturria referierte über „Teambuilding and Leadership“. Der Spanier weiß, wovon er spricht: Als Spielmacher ist er verlängerter Arm von Trainer Joan Rallo Fernández. Dieser hatte die Idee zu den Vorträgen und moderierte die Veranstaltungen. Dass McCarter und Iturria auf Englisch sprachen, sei für die Jugendlichen kein Problem gewesen, sagte Jugendwart Justin Moradi.

Ein etwas ernsteres Thema schnitt Janis Stielow in seinem Vortrag „Facing Problems“ an: Wie treffen Spieler in entscheidenden Momenten die richtigen Entscheidungen? Stielow selbst musste früh in seiner Karriere Probleme meistern. Mit 19 Jahren unterschrieb er einen Profivertrag bei den Hamburg Towers, doch Rückenprobleme zwangen ihn, seine Profikarriere auf Eis zu legen.

Beim VfL sind sie mit der Resonanz der Vorträge zufrieden. Die Termine fanden laut Moradi großen Anklang. Von Vortrag zu Vortrag seien immer mehr Zuhörer gekommen. Moradi: „Wir wollten den Jugendlichen ermöglichen, mit unseren Regionalliga-Spielern in einen persönlichen Austausch zu kommen und an deren Erfahrungen zu partizipieren.“

8. Januar 2019

Quelle: Stader Tageblatt

Autoren: Mario Battmer, Manfred Borchers