Justin Moradi (l.) und Manuel Reiter mit den Jungs der U12. (Foto: Elsen)
Justin Moradi (l.) und Manuel Reiter mit den Jungs der U12. (Foto: Elsen)

Die jungen Macher vom VfL Stade

Das Minimum sind 20 Stunden pro Woche. Manuel Reiter (35) und Justin Moradi (24) investieren viel Zeit, um den Basketball-Nachwuchs des VfL Stade stärker zu machen. Ohne sie wäre die Sparte nicht überlebensfähig, glauben die Verantwortlichen.

Kommt Manuel Reiter unbedrängt an der Dreipunktelinie zum Wurf, landet der Ball mit großer Wahrscheinlichkeit im Korb. „Manuel ist ein begnadeter Dreierschütze“, sagt Justin Moradi. Zuletzt sind dem Flügelspieler gar acht Würfe in einem Spiel gelungen. Und 2,04-Meter-Mann Moradi? „Er ist ein talentierter Basketballer, nicht nur wegen seiner Größe, sondern auch wegen seiner Technik“, sagt Reiter.

Justin Moradi und Manuel Reiter sind feste Größen der dritten Herrenmannschaft des VfL Stade. Das Team spielt in der Bezirksliga oben mit und hat auf dem Weg ins Final Four um den Bezirkspokal einen Oberligisten aus dem Rennen geworfen. Es sind Erfolge, die die Freizeitsportler Reiter und Moradi gerne ansprechen, die für sie aber nicht an erster Stelle stehen.

Die beiden Stader haben sich in erster Linie der Nachwuchsarbeit beim VfL Stade verschrieben und vereinen darüber hinaus eine Menge Ämter auf sich, die in anderen Vereinen mehrere Personen innehaben. Hallensprecher, Pressesprecher, Sportwart, Schiedsrichter, Zeitnehmer. Sie bezeichnen sich als Organisatoren, Koordinatoren, Seelenklempner, Mädchen für alles. Moradi und Reiter sind Macher. Mit 20 Stunden in der Woche kommen sie nicht aus.

Abteilungsleiter Michael von Bremen hält Reiters und Moradis Einsatz für unersetzlich. „Ohne Manu wäre die Abteilung überhaupt nicht überlebensfähig, und ohne Justin wäre der Basketball in Stade nicht so populär.“ Warum opfern sich zwei junge Männer für den Sport auf?

„Es macht einfach Spaß... das ist der einzige Grund“, sagt Manuel Reiter. Justin Moradi bemüht sich, eine kitschige Antwort zu vermeiden, doch er kommt nicht drumherum: „Mir gibt diese Arbeit so viel zurück, wenn ich sehe, wie die Kinder von Spiel zu Spiel und von Woche zu Woche besser werden.“ So wie sein einstiger Coach und Mentor Matthias Weber ihm die Basketball-Leidenschaft eingeimpft hat, so will auch er den Nachwuchs für den Sport begeistern.

Justin Moradi, Fan von NBA-Star Marc Gasol, ist beim Hauptverein angestellt. Zu Hause fühlt er sich in der Basketball-Abteilung. Dort trainiert er die weibliche U15 und U17, dazu die männliche U12. Einigen Talenten gibt er Einzeltraining. Moradi versorgt die Presse mit Informationen. Er kümmert sich um die Medien des Vereins. Die meisten dürften Moradi oder zumindest seine Stimme von den Heimspielen der ersten Mannschaft kennen. Seit vergangener Saison ist er Hallensprecher.

Los ging alles vor vier Jahren, als der VfL Stade einen Trainer für die Mädchen gesucht hatte – und Moradi fand. „Peu à peu wurden es immer mehr Aufgaben“, sagt er. Der Verein wollte sich durch die Erfolge der ersten Mannschaft professioneller aufstellen und suchte engagierte Menschen, die den Basketball in Stade voranbringen wollten. Denn die Nachwuchsarbeit lag in einigen Bereichen brach. Nachdem Trainingsgruppen für Mädchen eingerichtet worden waren, gab es großen Zulauf. Die großen Erfolge sind bislang ausgeblieben, aber eine Bezirksliga-Vizemeisterschaft mit der U17 und die Herbstmeisterschaft mit der U15 wertet Moradi schon als erste, zaghafte Erfolge. „Wir haben schon einen Leistungsanspruch“, erklärt er, „aber auch der Spaß darf nicht zu kurz kommen.“

Als Manuel Reiter, der begnadete Dreierschütze, vor sechs Jahren als Sport- und Mathelehrer am Vincent-Lübeck-Gymnasium (VLG) anfing, übernahm er zunächst die Damenmannschaft des VfL Stade. Doch es passte nicht, nach einem halben Jahr stieg Reiter in den Jugendbereich ein – und kam davon nicht mehr los. Noch nicht einmal, als Nemo Weber, der Trainer der ersten Mannschaft, ihm den Posten als Co-Trainer anbot. „Der Jugendbereich hätte Abstriche machen müssen“, erzählt Reiter. Weber hatte Verständnis.

Wer Reiters Entscheidung verstehen will, muss in seine Kindheit reisen. Schon mit 15 Jahren hatte er ein „Mini“-Team in Scheeßel trainiert – noch bevor er selbst begann, Basketball zu spielen. Er coachte seine Schwestern und bei Turnieren die Mannschaft seines Bruders, er gründete die A-Jugend und betreute sie als Spielertrainer. Bis heute arbeitet er an der Basis. Wie am VLG, wo er Fünft- und Sechstklässler unterrichtet und Schüler in einer Basketball-AG fit macht für den Wettbewerb „Jugend trainiert für Olympia“.

Der Durchbruch im Jugendbereich gelang ihm in der vergangenen Saison. Manuel Reiter schaffte es als ehrenamtlicher Trainer, den männlichen Nachwuchs nach zehnjähriger Abstinenz wieder in der Landesliga zu etablieren. U14, U16 und U18 sind in der höchsten Spielklasse vertreten. Vor allem bei der U14 lief es so gut, dass die Spieler ihren Trainer mitnehmen wollten, als der Sprung in die U16 anstand. Reiter sagte okay.

Neben den sechs Trainingseinheiten, der Basketball-AG und den Spielen am Wochenende erledigt Manuel Reiter einen Großteil seiner Arbeit am Schreibtisch. Er organisiert den Spielbetrieb der 16 Mannschaften, er teilt Schiedsrichter ein, leitet selbst Spiele, fungiert als Zeitnehmer bei den Regionalligaspielen. Bis vor Kurzem hatte Reiter sogar die Bezirksauswahl betreut. „Alles ist auf Basketball ausgerichtet“, sagt er. Die übrige Freizeit verwendet Reiter auf „John Köhlers Eierball“, kurz Jokeiba. Ein Ballspiel für gemischte Teams mit dem Ziel, einen Football durch kluge Pässe in den gegnerischen Torraum zu befördern. Mit seiner Familie organisierte Reiter eine „Weltmeisterschaft“ mit Freizeit- und Uniteams aus Deutschland.

Doch die Zeit ist knapp. So knapp, dass Manuel Reiter das Fußballspielen nach knapp 30 Jahren aufgegeben hat. Und Justin Moradi? Er denkt manchmal, dass er zu viel Zeit in den Basketball investiert, gerade dann, wenn er ein ganzes Wochenende in der Halle steht. Wenn dann aber kein Spiel ansteht und er ein freies Wochenende hat, denkt er wiederum: „Da fehlt etwas.“

3. Januar 2017

Quelle: Stader Tageblatt

Autor: Tim Scholz